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Sprache & Gemüt

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Dennoch erreicht den Zuhörer das Wort ´müssen´ auch auf einer unbewussten Ebene – und gibt hier das Signal von Fremdbestimmung und Druck. Dieses Signal steht hier im Widerspruch zu der angenommenen Freude auf den Theaterabend – und hinterlässt sowohl beim Sprecher als auch beim Angesprochenen ein Gefühl von Irritation.

Die meisten Menschen haben sich an beständigen Druck von außen gewöhnt und merken diesen Druck nicht mehr. So merken sie auch nicht, dass sie ´müssen´ sagen. Sie bringen damit ihren allgemeinen Druck zum Aus-Druck, aber zu viel ´müssen´ macht Stress und auf Dauer krank.

Wir haben es als Sprecher jedoch in der Hand bzw. auf der Zunge, gar nicht erst noch unnötigen Extra-Druck und Fremdbestimmung in unsere Gedankenwelt hereinzulassen! In vielen Sätzen kann das ´muss´ / ´müssen´ ganz einfach weggelassen werden. Meist bezeichnet ´müssen´ eine Handlung, die in der Zukunft liegt. Dies kann aber genauso -und noch dazu richtiger- durch das grammatikalische Futur ausgedrückt werden: „Ich werde heute Nachmittag zu einer Sitzung gehen.“ Oder auch ganz einfach: „Wir gehen heute abend ins Theater.“

Gönnen wir uns Zukunft und lassen damit überflüssigen Druck hinter uns, der im gedankenlosen ´müssen´ steckt.

Ein weiteres Sprach-Beispiel, das unser Unterbewußtsein ´vorprogrammiert´: „Hab keine Angst.“

Dieser Satz macht eher Angst, als dass er beruhigt. Der Angesprochene hört das Wort ´Angst´ - und die bekommt er, wenn er sie bis dahin noch nicht hatte. Verneinung erreicht das Denken nicht!  ´Denken Sie nicht an einen rosa Elefanten!´  ;-)

Die gewünschte, beruhigende Wirkung des Angstsatzes hat eine andere -positive- Formulierung: „Sei beruhigt.“

Es ist alles andere als leicht, eingebrannte Redewendungen und innere Einstellungen zu ändern, ja sie überhaupt zu erkennen. Es geht um nicht weniger als um eine Neuorientierung – in der Sprache wie im Leben allgemein. Wer sich die alte Weisheit ´Selbsterkenntnis ist der erst Weg zur Besserung.´ zu Herzen nimmt, hat dabei schon (viel) gewonnen.

Quelle: In der Sprache liegt die Kraft! (Mechthild R. von Scheurl-Defersdorf , Verlag Herder)

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